Verkehrsrecht: Haftung bei Straßenschäden
Vorwort: Angesichts immer dramatischer werdender Straßenzustände in der Bundesrepublik Deutschland ist es geboten, sich als Fahrzeughalter mit der Frage auseinander zu setzen, wer für einen durch ein Schlagloch oder einen sonstigen Straßenschaden an seinem Fahrzeug verursachten Schaden aufzukommen hat.
1. Grundsatz
Ausgangspunkt ist die sogenannte Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers, also desjenigen, welcher für den Zustand einer Strasse zuständig ist.
„Straßenbaulastträger“ ist je nach Qualifikation der Straße (Gemeindestraße, Kreisstraße, Landesstraße, Bundesstraße) die Kommune, der Landkreis, das Land oder der Bund. Diese sind verantwortlich für den Zustand der jeweiligen Straßen und damit für Gefahren, welcher von diesen für die Verkehrsteilnehmer ausgehen. Dabei ist der Verkehrssicherungspflichtige nicht gehalten, einen völlig gefahrlosen Zustand der Straße sicher zu stellen. Auch erwächst dem Fahrzeugführer nicht allein aus der Tatsache, dass die Straße schadhaft ist, ein ohne weiteres durchsetzbarer Schadensersatzanspruch. Vielmehr ist im Einzelfall eine umfassende Abwägung vorzunehmen, die einerseits das Ausmaß der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers erfasst, andererseits aber auch eine etwaige Mithaftung des Fahrzeugführers selbst mit einbezieht. Denn die Pflicht des Verkehrssicherungspflichtigen zum Erhalt eines Straßenzustandes, der dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entspricht, steht die Pflicht des Verkehrsteilnehmers gegenüber, sein Fahrverhalten auf die jeweiligen Straßenverhältnisse einzustellen und das Sichtfahrgebot zu beachten. Außerdem ist auch bei einem durch ein Schlagloch verursachten Schaden die aufgrund des Betriebes des Fahrzeugs stets vorhandene sogenannte Betriebsgefahr zu beachten. „Betriebsgefahr“ bedeutet insoweit, dass jedes Fahrzeug durch seinen Betrieb in sich die Gefahr mit sich bringt, Schäden für andere zu verursachen.
2. Die Haftung im Einzelnen
Gefahrenschilder aufstellen ist Pflicht
Die für Straßen und Wege Verkehrssicherungspflichtigen, also Bund, Land, Städte und Kommunen, sind verpflichtet, auf die Gefahren durch Schlaglöcher und sonstige erhebliche Straßen-schäden aufmerksam zu machen. Stellen sie Warnschilder beziehungsweise Tempolimits auf, so befreien sie sich damit im Regelfall von einer Haftung. Denn Autofahrer und sonstige Verkehrs-teilnehmer sind gehalten, stets vorsichtig zu fahren. Wer in ein „frisches“ Schlagloch geraten ist und Reparaturkosten ersetzt haben will, der muss zweierlei beweisen, nämlich einmal, dass der Schaden durch das Loch im Boden verursacht worden ist und zum zweiten, dass nicht gewarnt oder hierauf hingewiesen wurde.
So ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts OLG Celle bemerkenswert:
Ein Pkw wurde auf einer „unebenen“ Straße bei der Fahrt durch ein 20 cm tiefes Loch beschädigt. Zwar hatte die Kommune dort Warnschilder aufgestellt und die Geschwindigkeit an der Gefahren-stelle auf 30 km/h reduziert. Dennoch verurteilte das Gericht die Stadt zum Schadensersatz, wenn auch nur zur Hälfte, obwohl Autofahrer in solchen Fällen üblicher Weise leer ausgehen. Das OLG Celle war jedoch der Meinung, dass Autofahrer trotz des Gefahrenschildes und des Tempolimit mit einem solch großen Loch in der Straße nicht zu rechnen brauchten. Deshalb wurde der Schaden mit 50 / 50 aufgeteilt.
An Unfallstelle immer Beweise sichern
Ganz wichtig ist, an der Unfallstelle/ Schadensstelle Beweise zu sichern. Ist an einer Gefahren-stelle, wie zum Beispiel einem Schlagloch, ein Fahrzeugschaden entstanden, helfen für die Beweisführung Fotos weiter, und zwar von der Unfallstelle, dem Schlagloch und den Schäden am Pkw. Auch sind Zeugenaussagen von Mitfahrern, anderen Verkehrsteilnehmern oder Zeugen hilfreich, um gegebenenfalls Schadensersatz gegen den Verkehrssicherungspflichtigen durchzusetzen.
Leere Kassen sind kein Argument
In einer weiteren Entscheidung zu diesem Thema ging es beim Landgericht Lübeck um ein 60 cm langes, 40 cm breites und 10 cm tiefes Schlagloch im Asphalt einer vielbefahrenen Straße, welchem ein Pkw-Fahrer nicht mehr ausweichen konnte und dadurch Felge und Reifen des Vorderrades seines Fahrzeuges beschädigte. Die betroffene Stadt hatte argumentiert, dass sie zwar von dem maroden Zustand der gesamten Straße Kenntnis hatte, jedoch finanziell nicht in der Lage gewesen sei, die „Löcher zu stopfen“. Dies beeindruckte das Landgericht Lübeck wenig. Von jedem Ver-kehrssicherungspflichtigen müssten gleiche Regeln eingehalten werden. Auch ein Privatmann könne sich nicht mit Hinweis auf seine leere Geldbörse von Schadensersatzansprüchen lossagen.
3. Weitere interessante Entscheidungen zu dem Thema:
Stürzt eine Fußgängerin auf einer asphaltierten und nur mäßig beleuchteten Dorfstraße, die nicht über Bürgersteige verfügt und von der Gemeinde als Straße mit geringer Verkehrs-bedeutung eingestuft wurde, über ein 5 cm tiefes Schlagloch mit einem Durchmesser von einem halben Meter, so kann sie von der Kommune kein Schmerzensgeld (hier war es ein Handgelenksbruch) wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verlangen, wenn ihr der insgesamt marode Zustand der Straße und die schlechte Beleuchtung bekannt war. Das Landgericht Bonn war der Ansicht, dass sich die Fußgängerin selbst beispielweise durch die Benutzung einer Taschenlampe vor den Gefahren im Dunkeln hätte schützen müssen (!).
„Kein Geld bei erkennbarem Loch“
Gerät ein Rollerfahrer auf einem untergeordneten Verbindungsweg, der überwiegend von landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt wird, in ein Schlagloch, das er „ohne Weiteres hätte erkennen müssen“, so kann er die Kommune nicht zu Schadensersatz oder Schmerzensgeldleistungen heranziehen wenn er stürzt. Jeder Fahrzeugführer muss sein Fahrverhalten den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anpassen. Die Kommune kann die Häufigkeit der Kontrollfahrten auf den Straßen von der Art und Häufigkeit der Benutzung derselben abhängig machen.
„Für Fußgänger nicht zuständig“
Überquert eine Person nach dem Besuch einer Gaststätte eine Straße, um zu ihrem auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkten Wagen zu gelangen, so kann sie von der Gemeinde weder Schadenersatz noch Schmerzensgeld verlangen, wenn sie auf dem Asphalt in ein Schlagloch tritt und den Unterschenkel bricht. Die Kommune muss im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nur dafür sorgen, dass Autos gefahrlos fahren können. Für Fußgänger „in möglicher Weise abgelenktem Zustand“ müssen spezielle Sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen werden (OLG Hamm 9 U 208/03).
„Drei Zentimeter sind nicht tief genug“
Stürzt ein Rennradfahrer, weil er durch ein drei Zentimeter tiefes Schlagloch gefahren ist. so kann er von der Kommune keinen Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verlangen. Denn es oblag ihm, auf solche geringfügigen Unebenheiten im Boden zu achten und seine Geschwindigkeit entsprechend anzupassen, wie das Oberlandes-gericht Braunschweig entschieden hat.
„Radler müssen langsamer fahren“
Stürzt ein Radfahrer auf einem mit Schlaglöcher übersäten Radweg und verletzt sich, so kann er kein Schmerzensgeld wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht von der Kommune verlangen, wenn er für die Straßenverhältnisse unangemessen schnell unterwegs war und den Zustand des Radweges schon aus einiger Entfernung als desolat einstufen konnte (LG Rostock 4 O 139/04).
4. Zusammenfassung
Man sieht also, wie weit die Haftung des Straßenerhalters (Verkehrssicherungspflichtigen) für eingetretene Unfälle oder Schäden geht, kann nicht generell gesagt werden, sondern hängt von den näheren Umständen und den daraus eventuell folgenden Fahrerpflichten ab. Um die Haftungsfrage zu klären, sollten Verkehrsteilnehmer den Schaden am Fahrzeug und den Fahrbahnzustand am Unfallort dokumentieren, zum Beispiel durch Fotos, Zeugenaussagen anderer Verkehrsteilnehmer oder gar das Hinzurufen der Polizei, was auch hilfreich sein kann.